Ein Indianer kennt keinen Schmerz

Gefühlsausdruck, Gesichter, Ein Indianer kennt keinen Schmerz Annette Bauer coaching Xperience
Kennst du den Spruch: "Ein Indianer kennt keinen Schmerz"? Wie stark und gesund wärst du, wenn du deinen Gefühlen Ausdruck geben könntest?

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Da bleib ich kühl – kein Gefühl!

Lange galt es als Zeichen von Stärke, Schmerz und Emotionen zu verbergen, durchzuhalten und sich nichts anmerken zu lassen. Irgendwie scheint das zumindest auf die Generation meiner Eltern zuzutreffen. Kombiniert mit preußisch-protestantischer Tradition, hat das bei ihnen wohl zur „Vervollkommnung“ geführt: „Da bleib ich kühl, kein Gefühl.“ (Ideal)

Bei mir hat das ein Segen nicht mehr gefruchtet, da kamen schon die Einflüsse der 68er durch Kindergarten und Schule in die Erziehung: Ich bin bereit meine Gefühle in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Was bedeutet es, stark zu sein?

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass wahre Widerstandskraft ganz anders aussieht. Es geht darum, Gefühle nicht zu unterdrücken, sondern sie wahrzunehmen, zu verstehen und konstruktiv damit umzugehen. Kinder, die lernen, ihre Emotionen zu benennen und ernst genommen werden, entwickeln eine tiefere emotionale Intelligenz und Widerstandsfähigkeit. Na, wer sagt`s denn! Geht doch!

Du wirst deine Kinder und Mitmenschen am besten mit Empathie, Verständnis und emotionale Begleitung unterstützen.

Tapferkeit

Wenn man versteht, dass die Vorstellung aus einer Zeit stammt, in der Generationen durch Kriege, Not und harte Lebensbedingungen geprägt wurden, erkennt man auch, wie nötig Tapferkeit früher war. Sie ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt. Von Kindern wurde erwartet, Schmerz und Emotionen zu unterdrücken. Gerade Jungen sollten körperlich stark und unverwundbar erscheinen, Mädchen psychisch belastbar und ohne zu klagen. Gefühlen Ausdruck zu verleihen galt als Schwäche .

Der Mythos der Tapferkeit unterschied sich dabei deutlich zwischen Geschlechtern. Während Jungen zu heroischem Mut und physischer Standhaftigkeit erzogen wurden, sollten Mädchen Leid still ertragen und Stress ohne sichtbare Reaktion bewältigen. Sprüche wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder „Stell dich nicht so an“ waren alltägliche Erziehungsinstrumente, die Emotionen nicht nur minimierten, sondern aktiv unterdrückten. Kennst du das von dir?

Generationen von Menschen lernten, ihre Gefühle zu ignorieren, Schmerz zu verdrängen und Verletzungen körperlicher oder seelischer Natur still zu ertragen. Die Konsequenz: Was zunächst als Zeichen von Stärke galt, entpuppte sich später als systematische emotionale Verdrängung. Wer mit Menschen der Nachkriegsgeneration zu tun hat, weiß, wovon ich hier berichte.

Die wissenschaftliche Perspektive

Die wissenschaftliche Forschung zeigt zunehmend die langfristigen psychologischen Auswirkungen von Erziehungsmethoden, die Gefühle und Schmerzen von Kindern marginalisieren. Studien belegen, dass das Abtun oder Herunterspielen nicht nur kurzfristig verletzend ist, sondern erhebliche Konsequenzen für die emotionale Entwicklung haben kann.

Neuropsychologische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Kinder, deren Gefühle nicht gewürgt werden, Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer gesunden Gefühlsregulation entwickeln. Der Prozess der Gefühlswahrnehmung und -verarbeitung wird gestört, was zu Herausforderungen in der Selbstwahrnehmung und im Umgang mit Stress führen kann. Besonders gravierend sind die Auswirkungen auf das Bindungssystem zwischen Eltern und Kindern, das die Grundlage für emotionale Sicherheit und Vertrauen bildet.

Langzeitstudien zeigen einen direkten Zusammenhang zwischen der emotionalen Begleitung in der Kindheit und der Resilienz im Erwachsenenalter. Es ist spannend zu lernen, dass Menschen, die ihre Gefühle artikulieren können, weil sie als Kinder ernst genommen wurden, bessere Bewältigungsstrategien bei Herausforderungen entwickeln. Sie zeigen auch eine höhere emotionale Intelligenz, haben geringere Angstwerte und eine verbesserte Fähigkeit, mit Stress und Schmerzen umzugehen. Das Gegenteil ist der Fall bei Personen, die in ihrer Kindheit zur Gefühlsunterdrückung erzogen wurden: Sie weisen häufiger Symptome von Burnout, Depression und anderen psychischen Belastungen auf.

Gefühle zulassen und ausdrücken

Der erste Schritt beginnt mit Selbstreflexion. Viele Menschen tragen unbewusst Verletzungen aus der eigenen Kindheit in sich, die ihr Verhalten und Gefühle prägen. Es braucht Mut, alten Wunden wahrzunehmen und anzuschauen, ohne sich selbst zu verurteilen. Therapeuten empfehlen, die eigenen Erfahrungen nicht zu verdrängen, sondern achtsam und mitfühlend zu erkunden. Dazu braucht es ein entsprechendes Umfeld, das eben nicht ver- oder beurteilt.

Es gilt also, erlernten Muster zu erkennen.

Oft wiederholen wir unbewusst den Erziehungsstil und die Verhaltensweise unserer Eltern, selbst wenn wir sie eigentlich ablehnen. Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern den achtsamen, kontinuierlichen Prozess der Selbstbeobachtung zu entwickeln. Professionelle Hilfe wie Therapie kann dabei unterstützen, alte Glaubenssätze und emotionale Blockaden zu lösen und neue Handlungsmuster zu entwickeln.

Die Heilung beginnt bei der Akzeptanz der eigenen Gefühle. Das bedeutet, es dir selbst zu erlauben, Schmerz, Traurigkeit oder Wut zu fühlen, ohne sie zu bewerten. Wichtig ist es, diese Gefühle zu benennen, ihnen Raum zu geben und sie nicht zu unterdrücken. Dabei helfen können Methoden wie Journaling, Meditation oder Gespräche mit vertrauensvollen Menschen. Je mehr wir lernen, uns selbst mit Mitgefühl zu begegnen, desto leichter fällt es uns, auch andere einfühlsam zu begleiten.

Empathie statt Tapferkeit

Das Umdenken in der Erziehung bedeutet einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Stärke wird nicht mehr durch Härte und Gefühlsunterdrückung definiert, sondern durch die Fähigkeit, Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Emotionale Intelligenz wird zunehmend als Schlüsselkompetenz verstanden: Sie ist die zentrale Kompetenz für zwischenmenschliche Beziehungen aller Art.

Selbstwahrnehmung entwickelt sich, wenn Kinder lernen, ihre Gefühle zu benennen und zu reflektieren. Das fordert von Erwachsenen ein wirkliches Zuhören und Emotionen nicht zu bewerten. Wenn Kinder ernst genommen werden, entwickeln sie ein echtes Verständnis für ihre inneren Prozesse. Sie lernen, dass alle Gefühle wertvoll sind, auch die unangenehmen. Und das können sie dann auch auf alle in ihrem Umfeld immer besser anwenden.

Widerstandsfähigkeit entsteht nur durch emotionale Sicherheit. Empathie oder Mitgefühl wird zum Werkzeug der Resilienz: Kinder, die gespiegelt und unterstützt werden, entwickeln ein inneres Vertrauen in ihre Fähigkeiten und können Herausforderungen besser selbst bewältigen. Gefühle können sie dann als Informationsquelle  nutzen, lernen Grenzen zu setzen und sich selbst zu schützen. So wird Empathie zur Grundlage einer starken, selbstbewussten Persönlichkeit.

Chronische Krankheiten

Die Erkenntnisse über emotionale Begleitung in der Kindheit gewinnen besondere Bedeutung bei chronischen Krankheiten. Menschen, die in ihrer Kindheit gelernt haben, Schmerzen und Gefühle zu validieren, also anzuerkennen und zu akzeptieren, entwickeln oft bessere Bewältigungsstrategien für langanhaltende gesundheitliche Herausforderungen.

Bei chronischen Erkrankungen spielt die emotionale Verarbeitung eine entscheidende Rolle:

  • Patienten, die als Kinder eine empathische Schmerzbegleitung erlebten, können ihre über ihren Zustand andere darüber gut informieren und sind aktiver in ihre Behandlung eingebunden. Diese Fähigkeit hilft ihnen, mit den psychischen Herausforderungen einer anhaltenden Krankheit besser umzugehen. Sie haben eine konstruktive Haltung gegenüber ihrer Erkrankung und sehen sie als Teil ihres Lebens, nicht als Feind, gegen den man kämpfen muss.

  • Menschen, die nicht gelernt haben, ihre Gefühle wertzuschätzen, neigen eher dazu, Symptome zu bagatellisieren oder zu unterdrücken. Dies kann den Behandlungsprozess verzögern und damit die rechtzeitig Behandlung verhindern. Dadurch leiden sie viel länger als nötig.

Vision: Emotionale Sicherheit

Kindern emotionale Sicherheit ist eine Vision für mehr Menschlichkeit. Stell dir vor wir leben in einer Welt, in der Kinder von Anfang an lernen, dass ihre Gefühle wertvoll sind. Dass Verletzlichkeit keine Schwäche, sondern eine Stärke ist und Empathie der Schlüssel zu echtem Verstehen ist.

In dieser Vision werden Kinder nicht ermutigt, ihre Schmerzen zu unterdrücken, sondern sie zu erforschen. Sie lernen, dass Weinen keine Schande ist. Diese menschliche Erfahrung sollte jede*r als solche anerkennen und damit die emotionale Bildung fördern. Das hätte Potenzial, unsere Gesellschaft zu verändern: Empathie würde zum Grundprinzip von Beziehungen, würde die Konfliktlösungskompetent und den gegenseitigem Respekt fördern:

Eine empathische, gefühlvolle Gesellschaft

  • Stell dir vor, wie es sich anfühlt, wenn du in Meetings deine ehrliche Meinung äußern kannst, ohne Ablehnung zu befürchten: Statt in einem Meeting deine Gefühle runterzuschlucken, sprichst du sie aus: „Ich fühle mich gerade nicht gehört und das macht mich nervös. Können wir noch einmal über diese Punkte sprechen?“ Deine Kolleg*innen reagieren verständnisvoll und ihr findet gemeinsam konstruktive Lösungen.
  • Oder wie befreiend es ist, wenn du im Krankenhaus deine Ängste und Sorgen offen mit deiner Ärztin besprechen darfst.
  • Wie würden sich deine Beziehungen gestalten, wenn du dich verletzlich zeigen und Gefühle authentisch ausdrücken könntest?

Die Transformation zu einer emotional kompetenten Gesellschaft beginnt mit kleinen Handlungen, in jedem einzelnen Gespräch, in jeder Begegnung. Wenn du lernst, deine innere Stimme wahrzunehmen und ihr zu vertrauen, entsteht echte Verbindung – zu dir selbst und dadurch zu anderen. Das leise Kribbeln im Bauch wird dann nicht mehr ignoriert, sondern als wertvoller Hinweis verstanden. Das Herzklopfen in aufregenden Situationen darf sein, denn es enthält wichtige Informationen darüber, wie es dir geht.

Du triffst einen neuen Nachbarin und anstatt mit ihr oberflächlichen Smalltalk zu machen, teilst du ihr ehrlich mit: „Ich finde es manchmal herausfordernd, auf neue Menschen zuzugehen. Und ich würde Sie gerne besser kennenlernen.“ Diese Ehrlichkeit schafft sofort Offenheit, weil du dich zeigst. Denn dann kannst du überhaupt erst gesehen werden. In einer emphatischen, wohlwollenden Gesellschaft wäre das einfach, weil ganz normal.

Die wissenschaftliche Forschung untermauert: Menschen, die ihre Gefühle offen kommunizieren, entwickeln belastbarere Beziehungen und mehr Widerstandskraft. Aktuelle Studien der Harvard Business Review (2019) belegen, dass Teams mit ausgeprägter emotionaler Intelligenz eine um 25 bis 30 Prozent höhere Leistungsfähigkeit haben. Diese Erkenntnisse werden durch eine Meta-Analyse im Journal of Applied Psychology (2021) gestützt, die einen direkten Zusammenhang zwischen emotionaler Kompetenz und Teameffizienz von durchschnittlich 35 Prozent belegen.

Es ist also tatsächlich auch ein wirtschaftlicher Faktor. Vielleicht kann dann die Vision eher Wirklichkeit werden.

Möchtest du mehr darüber erfahren, wie du emotional sicherer durchs Leben gehen kannst? Buche gern für einen Austausch mit mir einen kostenlosen Zoomcall. Jetzt buchen!

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Über mich
Annette Bauer, Namaste-Geste
Hallo, ich bin Annette
Ich bin Berlinerin und war 25 Jahre als Layouterin und Redak­teurin tätig. In den letzten Jahren im Job war ich kurz vorm Burnout und wurde dann ent­lassen. Auch privat habe ich Schick­sals­schläge erleben müssen.

Dabei hilft mir seit 30 Jahren eine regelmäßige Yoga-Praxis, der Integrale Ansatz nach Ken Wilber und eine Trauma­therapie-Aus­bild­ung.

In meinem Coaching erfährst du Wertschätzung und erhältst Raum und Zeit, dein Innerstes zu erforschen, um mit Leichtigkeit und Klarheit deine Veränder­ungen umzu­setzen.
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