Grundlagen, Vertiefung und Erweiterung
Meine heutigen Buchtitel sind zwar eher für Therapeuten gedacht. Doch wer selbst betroffen ist oder Betroffene kennt, möchte vielleicht auch tiefer in ein Thema wie Trauma, Schuld und Mitgefühl eintauchen. Dann können diese Grundlagenwerken für dich interssant sein.
Um es für dich einfach zu gestalten, habe ich einige Übungen aus den Büchern zusammengeschrieben, damit sie dir einen lebendigeren Eindruck vermitteln, was die jeweiligen therapeutischen Ansätze beinhaltet und wie sie für dich wirken können – bzw. wie Therapeuten sie für ihre Arbeit nutzen können.
„Entwicklungstrauma heilen“ von Laurence Heller & Aline LaPierre
Die Autoren haben das NARM, das Neuroaffektive Beziehungsmodell, entwickelt und stellen es als therapeutisches Werkzeug in „Entwicklungstrauma heilen“ vor. Es soll helfen zu erkennen, in welcher der frühen Entwicklungsphasen das Trauma entstanden ist, welcher Überlebensstrategien er oder sie seitdem folgt und unterstützt den Patienten, die Selbstregulierung und Beziehungsfähigkeit zu stärken. Die fünf Grundbedürfnisse, die für die gesunde Entwicklung eines Kindes nötig sind, sind: Kontakt, Einstimmung, Vertrauen, Autonomie und Liebe/Sexualität. Hier können laut der Autoren die fünf verschiedene Entwicklungstraumata entstehen.
NARM ist eine nützliche Weiterentwicklung von Somatic Experiencing nach Peter Levine. Dabei muss das Trauma nicht bis ins Kleinste erforscht werden. Die Vergangenheit wird zwar nicht ignoriert, doch liegt die Betonung auf der Arbeit im Hier und Jetzt. Das Neuroaffektive Beziehungsmodell setzt ressourcenorientiert an den körperlichen Empfindungen an. So können die dysfunktionale Anteile wahrgenommen werden, ohne den ganzen Raum bei einer Therapie einzunehmen.
Für wen geeignet? Ein Grundlagenwerk, um zu verstehen, wann sich Trauma entwickelt hat und wie sich das für Erwachsene in ihren Beziehungen auswirken kann.
„Kommunikation, Selbstwert, Kongruenz“ von Virginia Satir
Grundlage dieses Buches war Virginia Satirs 1975 auf deutsch erschienenes Werk „Selbstwert und Kommunikation“ über die Konzepte und Perspektiven in der familientherapeutischen Praxis. Dieser Titel später erschienene Titel bezieht nun auch Kongruenz mit ein:
„Unsere kongruenten Erfahrungen und unser Beispiel
werden uns zu kreativen Möglichkeiten gegenseitigen
Verstehens geleiten, zu einem liebevollen und fürsorglichen
Umgang mit uns selbst und mit anderen.“
Virginia Satir
Das Buch betont die Bedeutung einer klaren und respektvollen Kommunikation, des Selbstwertgefühls und der Echtheit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Es folgende drei zentrale Übungen, die dir einen guten Einstieg in die Thematik bieten:
- Eine wichtige Übung aus Satirs Buch bezieht sich auf die Erstellung eines Familiengenogramms. Die Idee hinter dieser Übung ist, dass wir unser eigenes Verhalten und unsere Kommunikationsmuster besser verstehen können, wenn wir die Muster in unserer Familiengeschichte erkennen. Du darfst ein visuelles Diagramm erstellen, das deine Familienmitglieder und deren Beziehungen zueinander zeigen soll. Auch herausfordernde Beziehungen und wiederkehrende Muster sollen gekennzeichnet werden. Wozu? Die Herkunft von bestimmten Kommunikationsstilen und Verhaltensweisen erkennen, um sie bewusst verändern zu können.
- Satir betont die Bedeutung des Selbstwerts in der Kommunikation und persönlichen Entwicklung. Erstelle positive Selbstwert-Affirmationen, um sie in deinen Alltag zu integrieren. Sie dienen dazu, das Selbstwertgefühl zu stärken und Selbstzweifel zu überwinden. Aussagen wie „Ich bin wertvoll“ oder „Ich verdiene Liebe und Respekt“ könntest du verwenden, um selbstbewusster und authentischer in der Kommunikation zu sein.
- Die Übereinstimmung von verbalen und nonverbalen Botschaften bedeutet Kongruenz. In dieser Übung erstellst du deine persönliche Kongruenz-Checkliste: Du analysierst deine Kommunikation, indem du darauf achtest, ob deine Körpersprache, deine Stimme und deine Worte in Einklang miteinander stehen. Du wirst über eine Zeit damit authentischer kommunizieren lernen.
Für wen geeignet? Eine Reise zu einer positiven und gelungenen Kommunikation mit dir selbst und anderen.
„Compassion Focused Therapy“ von Paul Gilbert
Mitgefühl (engl. compassion) ist inzwischen in der Therapieszene angekommen. Schon Carl Rogers hat sich bereits Mitte des letzten Jahrhunderts mit Buddhismus und Mitgefühl beschäftigt. Inzwischen ist es zu einem wichtigen therapeutischen Instrument und Ziel geworden.
Paul Gilbert ist Professor der Klinischen Psychologie und erklärt in seinem Buch, wie die Compassion Focused Therapy (CFT) mit Mitgefühl zur Verbesserung der psychischen Gesundheit des Klienten beitragen kann. Seit 30 Jahren behandelt er Klienten mit emotionalen Störungen wie überfordernde Scham- und Schuldgefühle. Im Buch erläutert er die Unterschiede zu anderen kognitiven Therapieformen, fasst die Grundlagen der CFT zusammen und liefert auch einen praktischen Teil.
Die Compassion Focused Therapy konzentriert sich auf die Förderung von Mitgefühl und Selbstmitgefühl zur Bewältigung von emotionalen Herausforderungen. Therapeuten können ihre Klienten dabei unterstützen, liebevoller mit sich selbst umzugehen, negative Gedankenmuster zu durchbrechen und ein mitfühlenderes Leben zu führen. Die Übungen:
- Selbstmitgefühls-Pause: Nimm dir jeden Tag ein paar Minuten Zeit, dich zu fragen, wie du dich fühlst. Wenn du dich traurig oder ängstlich fühlst, sag dir selbst liebevoll, dass es okay ist, diese Gefühle zu haben. Sprich mit dir selbst, als wärst du dein eigener bester Freund oder deine beste Freundin.
- Gute Eigenschaften erkennen: Jeden Abend, bevor du schlafen gehst, denke an drei gute Dinge, die du heute getan hast. Es können kleine Dinge wie ein Lächeln oder ein Kompliment für jemanden sein. Anerkenne und freue dich über deine Handlungen.
- Anderen helfen: Finde eine Möglichkeit, anderen in Not zu helfen. Es kann ein kleiner Akt der Freundlichkeit sein, wie das Aufheben von etwas, das jemand fallen gelassen hat, oder ein freundliches Wort, um jemanden aufzumuntern.
Für wen geeignet? Selbstmitgefühl als Schlüssel zur Heilung. Auch wenn du nur eine Übung nimmst, unbedingt ausprobieren!
„Patterns“ von Bandler & Grinder
In „Patterns“ untersuchen Bandler & Grinder die Art und Weise, wie wir als Menschen Verhalten, Denkmuster und Kommunikation gestalten. Dabei identifizieren sie Muster und Strukturen, die unser Verhalten beeinflussen, und bieten Möglichkeiten, diese Muster (Patterns) bewusst zu verändern. Im Yoga bezeichnet man sie als eingefahrene Wege oder Samskaras. Heraus kam ein Buch zu den hypnotischen Techniken Milton H. Ericksons:
„Eine viel bessere Beschreibung meiner
Arbeitsweise als ich sie selbst geben könnte.“
Milton H. Erickson.
Neben der Mustererkennung in Verhalten und Kommunikation, betonen Bandler & Grinder auch wie die Sprache unser Denken beeinflusst. Hier wieder drei wesentliche Übungen aus dem Buch:
- Nimm bewusster Muster in deinem Alltag wahr: Beobachte, wie du auf verschiedene Situationen und Menschen wiederholt oder sogar in einem Muster reagierst.
- Versuche, submodalen Aspekten „deiner inneren Repräsentationen“ oder Anteilen zu verändern: Experimentieren, wie du deine Gedanken und Gefühle intensiver oder weniger intensiv gestaltest, indem du beispielsweise die Größe, Helligkeit oder den Klang innerer Bilder oder Töne veränderst. Das ermöglicht es dir, negative Emotionen zu reduzieren und positive zu verstärken.
- Die Reframing-Technik dient der Neuinterpretation von Situationen: Wenn dich etwas sehr belastet, versuche, die Situation aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Frage dich, wie diese Situation in einem anderen Licht betrachtet werden könnte. Was könnte für dich dabei von Vorteil sein, so schlimm es sich jetzt auch anfühlt?.
Für wen geeignet? Durch dieses Buch kann man sein eigenes Verhalten besser analysieren und als gelernter Therapeut seine Methoden und Techniken noch verfeinern.
„Das verfolgte Selbst“ von van der Hart, Nijenhuis & Steele
Die drei Autor*innen Onno van der Hart, Ellert Nijenhuis und Kathy Steele haben Traumata erforscht und 2006 das Buch „Das verfolgte Selbst“ herausgebracht. Das Grundlagenwerk beschäftigt sich im ersten Teil mit struktureller Dissoziation der Persönlichkeit, im zweiten mit chronischer Traumatisierung und im dritten mit der Behandlung chronisch traumatisierter Patienten.
Kein Buch für Betroffene: Wenn du als Betroffene*r das Buch unbedingt lesen möchtest, solltest du dir die Unterstützung eines Therapeuten dazu holen.
In diesem Buch teilen die Autoren ihre Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Praxis in der Behandlung von chronisch traumatisierten Patienten. Sie betonen die Schwierigkeiten, die bei der Diagnose und Behandlung solcher Patienten auftreten, und erklären, wie sie verschiedene psychologische Theorien und Erkenntnisse aus der Traumaforschung nutzen, um die strukturelle Dissoziation der Persönlichkeit, die Trauma in den Betroffenen verursacht, zu verstehen. Es geht darum, folgende drei Sachen zu klären:
- Selbstverständnis: Das bedeutet zu verstehen, wer du wirklich bist und warum du manchmal bestimmte Gefühle oder Gedanken hast.
- Traumatische Erfahrungen: Manchmal kann es passieren, dass schlimme Dinge geschehen, die dich sehr traurig oder ängstlich machen. Es ist wichtig, über diese Erfahrungen zu sprechen und sie zu verarbeiten.
- Heilung und Selbstfürsorge: Du kannst lernen, wie du dich selbst besser verstehen und liebevoll mit dir umgehen kannst, um deine innere Stärke wiederzuerlangen.
Traumaüberwindung ist ein komplexer Prozess und erfolgt am besten unter professioneller Anleitung. Die Autoren bieten in ihrem Buch „Das verfolgte Selbst“ Tabellen für Interventionen an, die der Therapeut durchführen kann:
- Die Erkundung der inneren „Teile“ oder „Alterszustände“. Diese Teile repräsentieren verschiedene Aspekte der Persönlichkeit und können durch traumatische Erfahrungen abgespalten worden sein. In dieser Übung geht es darum, diese Teile zu identifizieren, zu verstehen und zu integrieren, um innere Konflikte zu lösen und ein Gefühl der Ganzheit wiederherzustellen.
- Die Arbeit mit Achtsamkeit kann in von unschätzbarem Wert sein. Der Therapeut führt Achtsamkeitsübungen mit der Klientin durch, um sie in den gegenwärtigen Moment zu bringen. Sie erlernt, die Verbindung zu ihrem Körper und Gefühlen, um traumatische Symptome zu lindern und ihre Gefühlswelt besser zu regulieren.
- Positive Ressourcen identifizieren und stärken, kann die Fähigkeiten, Stärken und unterstützenden sozialen Netzwerke der Patientin umfassen. Indem sie sie aktiviert, kannst sie besser mit den Herausforderungen der Traumaüberwindung umgehen.
Für wen geeignet? Für Therapeuten, ein besseres Verständnis für die Auswirkungen von Traumata zu entwickeln und so ihre Klienten zu unterstützen, ihre traumatischen Erfahrungen zu verarbeiten.
„Traumabedingte Dissoziation bewältigen“ von Boon, Steele & van der Hart
„Traumabedingte Dissoziation bewältigen“ bietet ein strukturiertes Skills-Training für Menschen, die unter dissoziativen Störungen leiden, mit dem Ziel, ihre Lebensqualität zu verbessern. Es unterstützt Therapeuten, spezifische Techniken und Ansätze zur Bewältigung von dissoziativen Symptomen und traumabedingter Dissoziation zu erlernen, um ihre Klient*innen auf dem Weg der Genesung zu begleiten:
- Selbstverständnis: Das bedeutet zu verstehen, warum du manchmal durcheinander gerätst und dich anders fühlst als sonst. Es liegt nicht an dir; es ist eine Art, wie dein Gehirn mit schwierigen Erfahrungen umgeht.
- Umgang mit belastenden Erinnerungen: Manchmal kommen unangenehme Erinnerungen hoch. Du kannst lernen, damit umzugehen, indem du darüber sprichst oder kreative Wege findest, um dich auszudrücken.
- Selbstfürsorge: Es ist wichtig, gut für dich zu sorgen, besonders wenn du dich gestresst oder ängstlich fühlst. Du kannst auf dich achten und dir erlauben, auch mal Pausen einzulegen.
Im Buch werden die Hintergründe und Symptome der Dissoziation erläutert und der Therapeut enthält praktische Übungen und Arbeitsblätter für ihre Klient*innen zur Integration in den Alltag:
- Stabilisierungsübungen: Diese Übungen zielen darauf ab, dich in den gegenwärtigen Moment zu bringen und deinen Körper zu beruhigen. Das können Atemübungen, Achtsamkeitsübungen oder progressive Muskelentspannung sein. Dein Therapeut wird dich dabei unterstützen, diese Techniken zu erlernen und in stressigen Situationen anzuwenden, um Dissoziationen zu reduzieren.
- Ähnlich wie in „Das verfolgte Selbst“ geht es in dieser Übung darum, deine inneren Teile oder Zustände zu erforschen, sie zu identifizieren, zu verstehen und zu integrieren. Durch das erkennen der Zusammenhänge zwischen Dissoziation und vergangenen traumatischen Erfahrungen können neue Bewältigungsstrategien entwickelt werden.
- Mit deinem Therapeuten identifizierst du positive Ressourcen in deinem Leben. Das können unterstützende Menschen, gesunde Bewältigungsstrategien oder Orte der Sicherheit sein. Die Aktivierung und Stärkung dieser Ressourcen kann dir helfen, während dissoziativer Episoden besser in Verbindung mit der Realität zu bleiben. Suche auch nach unterstützenden Büchern, Filmen oder Musik, die dich inspirieren und stärken.
Die dazugehörige CD enthält Arbeitsblätter zu den Übungen, um Fertigkeiten wie guter Schlaf und gute Ernährung, Reflektieren lernen oder Vorkehrungen für schwierige Zeiten, um nur vier von mindestens 30 zu nennen.
Für wen geeignet? Verständlich geschrieben und mit konkreten Übungen, wieder ein sehr wertvolles Buch für Therapeuten, die auch in Gruppen arbeiten möchten.
War etwas für dich dabei? Hast du Fragen? Buche gern für einen Austausch mit mir einen kostenlosen Zoomcall. Jetzt buchen!